Im Klassenzimmer geht der Lehrer durch die Reihen und teilt die Klassenarbeit aus: Mathe. Ein Kind in der hintersten Reihe fühlt sich – je näher der Lehrer kommt – immer unwohler. Das Herz rast, die Hände werden nass, die Magenschmerzen setzen ein. „Ich schaffe das nicht, ich kann das nicht“, denkt es. Dabei hat es so fleißig gelernt. Schnell geht das Kind im Kopf alle Rechenformeln durch. Doch kaum liegt das Blatt vor ihm, ist da nur noch: Leere.
Fast jedes zweite Schulkind leidet unter Prüfungsstress – das ergab vor drei Jahren eine repräsentative Umfrage der Krankenkasse DAK. Nervös, vor Präsentationen, Tests oder Prüfungen, ist jeder einmal. Aber woran erkennen Eltern, ob es sich bei ihrem Kind noch um „normale“ Nervosität oder schon um eine waschechte Prüfungsangst handelt?
„Mama, mir geht es nicht gut“
Jedes Kind reagiert auf Stress, den Prüfungsangst verursacht, anders. Neben klassischen Symptomen von Nervosität, wie schwitzenden Händen, leichtem Unwohlsein und Unruhe, reihen sich bei Prüfungsangst jedoch weitere Merkmale ein: Das Kind fühlt sich unsicher, ist reizbar, wütend, wirkt depressiv und es fehlt an Selbstwert. Was längerfristig – vor allem in der Schule und beim Lernen – zu Denkblockaden, Konzentrationsstörungen, starken Selbstzweifeln und Grübelei führt.
Auch die Auswirkungen auf den Körper sind immens. Kinder, die unter Prüfungsangst leiden, bekommen Schlafstörungen, Verdauungsschwierigkeiten, sind oft angespannt, appetitlos, haben Kopfschmerzen und Herzrasen. Der bekannte Blackout tritt ein, wenn Körper & Geist unter enormen Stress stehen – die Informationsübertragung zwischen den Nervenzellen wird gestört und der innere Erregungszustand setzt das Denkvermögen aus. An diesem Punkt ist es völlig egal, wie lange, intensiv und fleißig ein Kind gelernt hat. Denn Prüfungsangst lähmt.
Teufelskreislauf Angst
Das beeinträchtigt die Leistung während einer Prüfungssituation, sodass sich das Kind beim nächsten Mal noch unsicherer fühlt – vor lauter Angst, zu versagen. Wie dieser Teufelskreis namens Prüfungsangst überhaupt entsteht, kann mehrere Gründe haben. Zum einen, die Persönlichkeit. Sehr introvertierte Kinder bilden schneller Ängste aus und fühlen sich, zum Beispiel durch Kritik einer Lehrkraft, in ihrem Selbstwert angegriffen. Scham verstärkt das.
Sogar der Umgang mit Stress wichtiger Bezugspersonen kann sich auswirken: Sind Eltern oder Freunde oft besorgt und ängstlich, lernt auch das Kind, die Welt so wahrzunehmen. Weitere Faktoren sind negative, traumatische Erfahrungen in Leistungssituationen, also wenn das Kind für Fehler bestraft wurde. Natürlich spielen das kompetitive Klima und der Leistungsdruck im Klassenzimmer eine große Rolle: In der Schule werden die Schüler*innen durch das veraltete Schulsystem untereinander verglichen und Leistungen subjektiv bewertet.
Unser Tipp: Lernübungen und -strategien helfen Kindern mit Prüfungsangst, Selbstvertrauen zu entwickeln und motiviert zu bleiben. Empfinden sie nämlich, dass ihr Lernen keinen Zweck hat, wird jede Anstrengung – verständlicherweise – eingestellt.
Wenn Angst die Gedanken bestimmt
„Ich bin dumm, ich kriege eh nichts hin“: Prüfungsangst führt dazu, dass Kinder schlecht über sich denken. Sie halten andere für intelligenter und sich selbst für eine Niete. Die eigenen Fähigkeiten werden unterschätzt, während die Prüfung und deren Folgen überschätzt werden. „Ich blamiere mich“, „Meine Eltern sind enttäuscht“, „Ich bin wertlos“ sind Gedanken, die einem unter Angst leidenden Kind – während der Prüfung – durch den Kopf gehen und es hemmen. Das hat fatale Folgen auf den Selbstwert, bis ins Erwachsenenalter.
Um dem Kind seine Ängste zu nehmen, hilft es schon, wenn Eltern offen erzählen, dass auch sie manchmal Angst haben und was sie dagegen tun. Des Weiteren können Eltern ihr Kind unterstützen, indem sie ihm gut zureden, Rückhalt geben und keinen Druck oder zu hohe Erwartungen aufbauen. Zudem ist es förderlich, sich gemeinsam auf die Prüfung vorzubereiten und die Situation vorab einmal durchzuspielen.
Kind stärken: Mit Selbstvertrauen, Entspannung & Lerntechniken
Was das Kind jedoch am meisten braucht, ist der Glaube an sich selbst. Negative Gedanken müssen gestoppt und der Selbstwert gesteigert werden. Glaubenssätze, die das Kind am Morgen vor jeder Prüfung mehrmals zu sich sagt, wie „Ich bin gut vorbereitet“, „Ich bin stark“, „Ich schaffe das“, unterstützen positives Denken. Tiefes Durchatmen – vor und während einer Prüfungssituation – hilft, die Panik zu reduzieren und sich zu entspannen.
Autogenes Training oder Fantasiereisen, die regelmäßig mit dem Kind gemacht werden, beruhigen das Gemüt zusätzlich. Langfristig sorgen Lernübungen dafür, dass Kinder eigenständig, motiviert sowie leichter lernen und ein starkes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln. Sind Eltern mit ihrem Kind geduldig und schätzen die kleinen Fortschritte, die es macht, wandelt sich die Prüfungsangst mit der Zeit in Prüfungsmut. Und das Kind kann endlich zeigen, was in ihm steckt.